Einblicke in die European Society of Human Genetics Konferenz
aus Sicht eines Data Scientisten
Durch die Kooperation zwischen den scieneers und dem Institut für Humangenetik und Genommedizin der Uniklinik RWTH Aachen hatte ich dieses Jahr die Möglichkeit als Data Scientist, an der Konferenz der European Society of Human Genetics (ESHG) teilzunehmen – einer beeindruckenden hybriden Veranstaltung, die Tausende von Besuchern aus aller Welt anlockte.
Vorstellung unserer Forschung
Ein besonderes Highlight für unser Team war die Auswahl unseres gemeinsamen Posters für die Best-Poster-Session, ein echter Erfolg angesichts der über 3000 Einreichungen. Unser Poster mit dem Titel „Exploration of the mutational landscape in ClinVar & gnomAD for the functional effect in (overlapping) short open reading frames (sORFs)“ beleuchtet unsere neusten Forschungsergebnisse zu short Open Reading Frames. Short Open Reading Frames sind genomische Elemente, die über das gesamte Genom verteilt sind und in der Wissenschaft Aufmerksamkeit erregt haben, da einige von ihnen möglicherweise für funktionale, unabhängige Mikroproteine kodieren oder regulatorische Rollen erfüllen. Durch die Implementierung von Big-Data-Analyse-Pipelines und die Berechnung von Metriken aus der Populationsgenomik konnten wir nachweisen, dass einige dieser sORFs – wenn auch eine Minderheit – gegenüber genomischen Veränderungen eine ähnliche Intoleranz aufweisen, wie die der besonders intoleranten Gene. Zudem konnten wir demonstrieren, dass die berechneten Metriken in Kombination mit Strukturinformationen ML-Modellen als Features nützlich sind, um die Pathogenität von Varianten abzuschätzen. Mit unserer Forschung wollen wir einen Teil dazu beitragen das Dark Genome weiter zu erschließen, um zukünftig die Diagnose und Therapie für Menschen mit seltenen Erkrankungen zu verbessern.
Ein kleiner Schnappschuss kurz vor Jeremias Vortrag in der Best Poster Session.
Spannende Konferenztage
Aber auch abseits des Posters war die Konferenz eine tolle Erfahrung:
Svante Pääbo, der für seine bahnbrechenden Arbeiten im Bereich Paleogenomics mit dem Medizin-Nobelpreis 2022 ausgezeichnet wurde, hielt gleich zu Beginn einen fesselnden Vortrag. Er erläuterte, wie Varianten von Neandertalern, die einige heute noch in uns tragen, unsere Reaktion auf Pathogene wie Sars-CoV-2 beeinflussen können.
Kristin Bos bot eine unerwartete Perspektive auf die Ursprünge von Tuberkulose, indem sie zeigte, dass die Stämme der Krankheit, die in 1000 Jahre alten peruanischen Opfern gefunden wurden, heute hauptsächlich bei Robben und Seelöwen zu finden sind.
Robert Meyer lieferte einen weiteren faszinierenden Beitrag, indem er erklärte, warum Elefanten, trotz ihrer Größe und Langlebigkeit, selten an Krebs erkranken. Das Geheimnis liegt u.a. in der höheren Aktivierung des Gens p53. Was zunächst wie eine Wunderwaffe im Kampf gegen Krebs für uns Menschen klingt, zeigt sich in der Realität doch anders, denn eine Überaktivierung kann bei uns Menschen zu Knochenmarkversagen führen.
Die Panels zu Pharmakologie und Onkologie verdeutlichten die zunehmende Bedeutung der Genommedizin. Unser Genom ist der Schlüssel zur personalisierten Medizin und verbesserten Therapieansätzen. So entscheidet unser genetischer Code darüber, wie wir als Individuen auf verschiedene Therapien und Medikamente reagieren. Wie Miriam Elbracht hervorhob, ist es allerdings von entscheidender Bedeutung, dass Fachleute aus verschiedenen Disziplinen zusammenarbeiten, um dieses Potenzial zukünftig zu nutzen.
Ein weiteres Highlight – besonders aus der Data Science Perspektive – fand sich im Panel „AI meets Genomics“. Hier erläuterte Tobias Hamp das PrimateAI-3D Modell von Illumina, ein semi-supervised 3D-Convolutional Neural Network, das auf voxelisierten Proteinstrukturen basiert und zur Prädiktion der Pathogenität von Varianten genutzt werden kann. Ein Modell, das einen weiteren Beitrag leistet, um das noch wenig erforschte „Dark Genome“ besser zu verstehen.
Fazit
Die ESHG-Konferenz hat eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig interdisziplinäre Zusammenarbeit ist. Wir sind gespannt was die Zukunft in diesem aufregenden Forschungsbereich noch so bringt – insbesondere, wenn Genommedizin, Data Science und maschinelles Lernen aufeinandertreffen.
Abschließend ist besonders hervorzuheben, dass es erneut unglaublich schön zu sehen war, wie die Wissenschaft Menschen aus aller Welt vereint, trotz all der Herausforderungen und Turbulenzen, die gerade um uns herum passieren.
Die Networking-Events der Konferenz? Ein echtes Highlight.
Menschen aus so vielen verschiedenen Ländern, die zusammen feiern, tanzen und einfach eine tolle Zeit miteinander verbringen – das war ein starkes Zeichen der Hoffnung. Es hat deutlich gemacht, dass wenn wir alle zusammenarbeiten, wir wirklich in der Lage sind, gemeinsame Ziele zu erreichen und die Zukunft positiv gestalten können, nicht nur in der Genommedizin, sondern weit darüber hinaus.
Autor
Martin Danner, Data Scientist bei scieneers GmbH
martin.danner@scieneers.de